Pfarrerin Christiane Richter verlässt die Gemeinde Rixdorf in Neukölln nach zwölf Jahren. Sie wird 2022 Pfarrerin im brandenburgischen Lychen, das zum Kirchenkreis Oberes Havelland gehört. Wir blicken zurück auf Miriamgottesdienste und die schönste Begrüßung in einer Kita – und natürlich auch nach vorn.
AUSZUG
Sie sind eine echte Berliner Pflanze. Nach beruflichen Stationen in Berlin-Marzahn und -Neukölln gehen Sie mit Mitte 50 als Pfarrerin in die Uckermark aufs Dorf. Was für eine Aufgabe erwartet Sie dort?
Christiane Richter: Lychen hat Stadtrecht, eine alte Stadtmauer ist auch noch zu sehen. Ich gehe in den Pfarrsprengel Lychen, dazu gehört die Stadt mit der St. Johannes-Kirche, aber auch einige Dörfer drumherum. Ich werde mit fünf Gemeindekirchenräten arbeiten. Einige der Gemeinden sind sehr klein. Himmelpfort wird zum Beispiel dazugehören. Dort verläuft ein in der Entwicklung befindlicher Pilgerweg, der etliche Zisterzienserklöster verbindet. Es wird schön sein, wenn hier Pilger*innen unterwegs sind und anklopfen. Ich freue mich also in vielerlei Hinsicht darauf, Dorfpfarrerin zu werden.
„Neukölln macht glücklich“
An welche Erlebnisse mit der Rixdorfer Gemeinde – zu ihr gehören die Magdalenenkirche in der Karl-Marx-Straße, die Betlehemskirche am Richardplatz und die Tabeakirche an der Sonnenallee – erinnern Sie sich besonders gern?
Die Gemeinde hat mich und meine Familie 2010 mit offenen Armen empfangen. „Neukölln macht glücklich“ – das gab es mal als Aufkleber, den hatte ich im ersten Jahr groß auf meinem Kalender geklebt. Besondere Freude haben mir immer die Kindergartengottesdienste gemacht, überhaupt das Arbeiten mit den Kitas. Die schönste Begrüßung habe ich mal in der Kita Debora in der Aronsstraße erlebt. Als ein kleiner Junge mich kommen sah und ihm mein Name nicht einfiel, erinnerte er sich an ein Lied, welches wir gerne sangen, und rief: „Da kommt Gottes Liebe ist so wunderbar!“
„Der weibliche Blick auf Gemeinde und Theologie ist mir wichtig.“
Christiane Richter
Mit einem Gottesdienst beschenkt
Sie haben sich mit Frauenfrühstücken und Miriamgottesdiensten immer besonders für die weiblichen Mitglieder in der Gemeinde engagiert. Warum war Ihnen das wichtig?
Der Kreis der Frauen beim Frauenfrühstück ist ein ganz besonderer. Er hat sich im Zuge einer Fusion aus drei Gemeinden zusammengefunden. Der weibliche Blick auf Gemeinde und Theologie ist mir schon seit dem Studium wichtig. Gerade die älteren Frauen leisten viel ehrenamtliche Arbeit. Mit dem Miriamgottesdienst haben wir uns immer auch selbst beschenkt.
Hat sich Ihr Reden von Gott in den Gottesdiensten oder für sich selbst vor dem Hintergrund der Genderdebatte verändert?
Geändert nicht unbedingt, aber noch einmal neu sensibilisiert. Sprache ist ein Machtinstrument. Als Pfarrerin vor der Gemeinde stehend muss ich dies bedenken. Das Hören in der Gesellschaft hat sich verändert, das finde ich gut. Mich spornt es an, mein Reden auf Nachlässigkeiten hin abzuklopfen.
Diese Zeit zehrt an den Kräften
Wie hat sich das Gemeindeleben in den letzten zwölf und vor allem in den letzten beiden Jahren verändert? Was waren schmerzliche Einschnitte?
Der schmerzlichste Einschnitt war 2012 die Aufgabe des Gemeindezentrums Ananias in der Wilhelm-Busch-Straße. Ich wohne direkt daneben und es berührt mich auch noch heute, wenn ich an den angeknabberten Kirchturm denke und den schönen Klang der Glocken vermisse.
In Rixdorf sind in den letzten zehn Jahren viele Familien zugezogen. Das hat sich auch auf meine Arbeit ausgewirkt. Wir haben in der Gemeinde einen Stamm von ehrenamtlich Mitarbeitenden, das ist ein großer Schatz. Hier müssen wir uns weiterhin bemühen. Es dürfen ruhig mehr sein, denn Aufgaben gibt es genug.
Seit fast zwei Jahren Pandemie – das ist schon sehr kräftezehrend und manchmal habe ich Müdigkeitserscheinungen. Doch wir haben immer Gottesdienste gefeiert – digital, zeitgleich oder präsent. Der Gottesdienst ist so noch einmal mehr ins Zentrum des Gemeindelebens gerückt. Jedenfalls habe ich das so erlebt. Aber das gemeinsame Singen, das fehlt nach wie vor und macht unsere Gottesdienste ärmer.
„Wir wollen in Frieden und Achtung miteinander leben“
Christiane Richter
Gerade in Neukölln gibt es in der Nachbarschaft viele muslimische Gemeinden. Hat sich der interreligiöse Dialog weiterentwickelt?
Die Kiezökumene Rixdorf hat viele Jahre Gespräche mit einer muslimischen Gemeinde in der Nachbarschaft geführt, schon lange bevor meine Zeit hier begann. Diese Gespräche sind oft sehr gut gewesen. Im Moment allerdings ist es schwieriger, den Kontakt zu finden. Der Kirchenkreis hat für die interreligiöse Arbeit Stellenanteile zur Verfügung gestellt. Das ist weiterhin sehr wichtig. Wir wollen in Frieden und Achtung miteinander leben, daran muss immer wieder gearbeitet werden.
Freude auf den großen Garten
Sie sind mit dem Pfarrer Reinhard Kees verheiratet, der zuletzt unter anderem das Interkulturelle Zentrum in der Genezarethkirche am Herrfurthplatz verantwortet hat. Sie gehen gemeinsam in die Uckermark. Was würden Sie Paaren in dieser schwierigen Zeit mit auf den Weg geben wollen?
Ich würde allein nicht in die Uckermark gehen. Reinhard kommt vom Dorf, kennt Kleinstadtstrukturen. Für ihn ist es eher ein Nachhausekommen und er freut sich auf den großen Garten. Die Uckermark ist ein gemeinsames Projekt. Auch wenn ich die Pfarrstelle allein antrete, weiß ich mich von ihm gestützt. Wir haben beide Lust auf dieses Neue und sind neugierig. Große Veränderungen müssen gemeinsam getragen werden.
Erschienen in Die Kirche – Wochenzeitung für Berlin und Brandenburg, 9.1.2022
Das höchste Haus Berlins: Estrel-Hotel bekommt einen Tower (Die Kirche – Wochenzeitung für Berlin und Brandenburg, 2024)
Abschied von der Blumen-Jette (Die Kirche – Wochenzeitung für Berlin und Brandenburg, 2023)
Geistliche Grenzgänger (Deutschlandfunk Kultur, 2019)