Mag sich Hiddensee auch selber immer treu bleiben, so kommen und gehen die Menschen, die die Insel prägen und die ihr etwas Gutes, manchmal das Beste von sich geben.
Erschienen in: „Hiddensee – Das Inselmagazin“, Ausgabe 2021/22, Herausgeberin Janet Lindemann, Verlagshaus Rügen-Druck
AUSZUG
„So vergeht Jahr um Jahr / und es ist ja längst klar / dass nichts bleibt, dass nichts bleibt, wie es war.“ Auf diese Zeilen endet ein bekanntes Lied, das meine Freundinnen und Freunde und ich zum Abschied an der Fähre singen, wenn einer von uns die Insel wieder in Richtung Alltag verlässt. Mag sich das „Soete Laenecken“ auch selber immer treu bleiben, so kommen und gehen die Menschen, die die Insel prägen und die ihr etwas Gutes, manchmal das Beste von sich geben. Und eines Tages werden sie wie die Bibliothekarin Astrid Tensing auf dem Inselfriedhof beerdigt, wird ihre Asche vor dem Ufer ins Meer gestreut wie im Fall des Wirtes Franz Freitag, steht ein Grabstein in Dresden oder Berlin wie für den Fotografen Frank Dehlis oder für Wolfgang Werba, einen der Mitgeschäftsführer des „Wiesenecks“.
Eine Zeitschrift als Geschenk
Ich möchte diesen Nachruf mit dem Mann beginnen, der das Hiddensee-Magazin 2011 ins Leben gerufen hat. Neun Ausgaben sind unter seiner Leitung mit hervorragenden Fotos und Texten zwei Mal im Jahr erschienen. Wir begegneten uns auf der Leipziger Buchmesse im März 2017 und verabredeten ausgerechnet einen Nachruf – eine Erinnerung an den Wirt vom „Kleinen Inselblick“ Franz Freitag, der damals gerade überraschend verstorben war. Frank Dehlis und ich telefonierten zwei, drei Mal. Das Erscheinen des Heftes verschob sich von Monat zu Monat, bis ich zu meiner großen Erschütterung erfuhr, dass er sich am 4. August 2017 im Alter von 45 Jahren das Leben genommen hatte. Er lebte als Presse- und Sportfotograf in Dresden-Neustadt. Er liebte sein Viertel und fotografierte fast jedes Spiel seines Fußballclubs SG Dynamo Dresden. Während er für den Club eine Facebook-Seite eröffnete, schenkte er seiner Fernliebe Hiddensee ein ganzes Magazin.
Verblassender Schriftzug: „Danke, Franz!“
Es war eine Notlösung, als ich mich nach seinem Tod entschied, den Nachruf auf Franz Freitag auf meiner Website zu veröffentlichen. Ich hatte mich zuvor mit Leuten in einem Berliner Café getroffen, die ihn besser kannten als ich.
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Tanzen nach der Musik von Zappa
Ich glaube, dass Franz mit Wolfgang Werba, dem Mitgeschäftsführer des „Wiesenecks“ in Kloster, eine kollegiale Freundschaft verband. Franz hatte seinen Stammplatz am Tresen, wenn auf der Leinwand im überfüllten Gastraum Fußball-Meisterschaften gezeigt wurden. Wolfgang Werba, der im Dezember 2018 im Alter von 64 Jahren verstarb, hielt sich eher im Hintergrund. Der Großstädter, dem auch das „Sophieneck“ in Berlin-Mitte gemeinsam mit anderen gehörte, ist für mich ebenfalls eine prägende Figur von Hiddensee. Ich habe einmal mit ihm auf einer der legendären „Wieseneck“-Discos nach Frank Zappa getanzt.
Sein Sohn David Werba, der mit seiner Familie in Schweden lebt, schrieb mir nach seinem Tod: „Auf Hiddensee war für meinen Vater alles sehr ritualisiert. An sonnigen Tagen ging es mit dem Fahrrad, weißem Laken und dem ‚Spiegel‘ ab nach Neuendorf zum Strand. Wenn die Sonne langsam unterging, fuhr er ins Feuerstübchen auf ein Bier in der Abendröte und dann ins Wieseneck.“ Und wenn der Herbst Einzug hielt „dann erledigte er die Buchhaltung oben unterm Dach und schaute dabei Sport im Fernseher“.
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„Und wenn du denkst, es geht nicht mehr“
Die Bibliothekarin Astrid Tensing verbindet mit Wolfgang Werba und Franz Freitag das Schicksal, einem Krebsleiden erlegen zu sein. Man kann sie noch auf dem Inselfriedhof besuchen, wo eine künstlerisch gestaltete Bank mit dem Zitat „Und wenn du denkst, es geht nicht mehr“ zum Verweilen und Nachdenken einlädt. Sie ist im Alter von 56 Jahren 2018 verstorben. Das Haus, in dem sie zusammen mit ihrer Familie in Vitte lebte, erzählt noch von ihr. Es gibt dort viele Bücher und ein Klavier. Manche erinnern sich daran, wie sie in ihren Pausen vor dem Henni-Lehmann-Haus mit einer Zigarette stand und, gerne einen Schwatz hielt.
Sie gaben Hiddensee etwas Gutes und manchmal ihr Bestes. Sie schenkten der Insel eine besondere Zeitschrift, ein Restaurant, das eigentlich ein Wohnzimmer war, einen Gasthof mit Seele und ihre Liebe zu Büchern. „So vergeht Jahr um Jahr / und es ist ja längst klar / dass nichts bleibt, dass nichts bleibt, wie es war.“