Die evangelische Kirche auf Hiddensee ist eines der Wahrzeichen der Ostseeinsel. Sie ist das letzte erhaltene Bauwerk aus der Zeit, als die Zisterzienser ein Kloster gründeten. Konrad Glöckner ist hier seit 15 Jahren Pfarrer. Ein Besuch beim Inselpfarrer.
AUSZUG
Wer an Hiddensee denkt, der denkt vielleicht auch an die Kirche in Kloster, die erhaben auf einer Anhöhe steht. Sie ist das letzte erhaltene Bauwerk aus der Zeit der Zisterzienser. Drinnen überwölbt freundlich und fröhlich eine mit Rosen bemalte Decke die Besucherinnen und Besucher. Die Blumen wirken als wären sie mit leichter Hand für eine himmlische Hochzeit ausgestreut. 1922 hat sie der Berliner Maler Max Nikolaus Niemeier an das hölzerne Tonnengewölbe gemalt. Die Gemeinde feiert in diesem Jahr „100 Jahre Rosenhimmel“, der zu einem Wahrzeichen des Gotteshauses geworden ist.
Als wäre die Zeit stehengeblieben
Auf den ersten Blick sieht es schräg gegenüber der Kirche im Gemeindebüro des Pfarrhauses in Kloster so aus, als wäre die Zeit stehengeblieben: die Regale vollgestopft mit Büchern und Aktenordnern. Über den beiden Schreibtischen am Fenster ein großer gekreuzigter Jesus. Wären da nicht Computer und Telefon. Ich nehme auf einem der roten Besuchersessel Platz und erlebe vielleicht einen typischen Nachmittag von Konrad Glöckner, der neben seinen Aufgaben als Prediger und Seelsorger auch ein bisschen Mädchen für alles ist.
Unser Gespräch wird immer wieder unterbrochen. Ein Tagestourist aus Leipzig klopft an die Tür, weil er das Grab seiner Vorfahren auf dem Inselfriedhof sucht und ein Deckchen mit dem Rosenmuster als Souvenir kaufen will. Tochter Helene steckt nach der Schule kurz den Kopf herein. Gemeindemitarbeiterin Uta Gau, die für das Kulturprogramm zuständig und mit den Vorbereitungen für die Feierlichkeiten zu Ehren des Rosenhimmels beschäftigt ist, braucht etwas von ihrem Schreibtisch. Ein Musiker ruft wegen der Organisation eines Orgelkonzerts an. Der Mittfünfziger mit dem für einen Pfarrer passenden Namen macht möglich, was auf die Schnelle möglich zu machen ist. Nimmt unseren Gesprächsfaden wieder auf und denkt nach, bevor er antwortet.
Theologe und Dachdecker
„Die Kirche hat einen festen Ort auf der Insel, und als Pfarrer ist man erkennbar und wird auch erkannt“, sagt Konrad Glöckner. Er ist seit 15 Jahren in diesem Amt auf Hiddensee, das vor ihm Manfred Domrös gut 20 Jahre mit seiner Persönlichkeit prägte. Der Kirchenmann stammt selbst aus einer Pfarrfamilie und war Studentenpfarrer in Greifswald, bevor er mit 42 Jahren hier seine erste Gemeinde übernahm.
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Standbein und Spielbein
In der Kirche hängt ein Gemälde mit einem Boot im Sturm. Zu dem Leben der Fischer habe schon immer die Erfahrung gehört, dass es Mächte gibt, die größer sind als wir, betont Glöckner. Und das Wissen darum, dass man bei Sturm den Anker auf einen Grund auswerfen muss, ohne lange zu überlegen. „Es ist die Bindung an das, wofür Kirche und Glaube steht, was man von den Eltern übernommen hat und was man nicht so leichtfertig über Bord wirft.“ Fünfzig Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner von Hiddensee sind Mitglieder der evangelischen Kirche. Der Anteil ist für Ostdeutschland hoch.
Die Einheimischen und die Touristen seien das wechselnde Stand- und Spielbein seiner Arbeit, erklärt der Pfarrer. Einerseits seien ihm Hausbesuche bei den Insulanerinnen und Insulanern wichtig, um die Hintergründe der Familien und ihr Leben zu kennen. Andererseits erfahre er eine große Weite durch die Gäste, die ihre Themen, Fragen und ihre Neugier mitbringen – und eine Bereitschaft für Kontemplation, Besinnlichkeit und Ruhe. Die Insel biete genau dies und damit das so bleibt, engagiert er sich gemeinsam mit seiner Frau in einer Bürgerinitiative gegen den Hafenausbau in Vitte.
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Erschienen in: „Hiddensee – Das Inselmagazin“, Ausgabe 2022/23, Herausgeberin Janet Lindemann, Verlagshaus Rügen-Druck sowie in den evangelischen Wochenzeitungen Berlin-Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Mitteldeutschland
„Wir singen Euch ein Lied“ – Menschen, die wir auf Hiddensee vermissen (Hiddensee-Magazin 2021/2022)
„Tschüss, Franz!“ – Nachruf auf Hiddenseer Inselwirt (cornelia-saxe.de, 2017)