„Eins durch 7 – Du zählst mit“ – Jugendliche im interreligiösen Dialog

Die Abkürzung des Vereins JUGA steht für jung, gläubig und aktiv. Das Symbol der Gruppe ist ein Segelboot, das grafisch den Halbmond, das Kreuz, den Davidstern und den Stern der Bahais vereint. Vor dem Brandenburger Tor warben sie für ihren „Code of Ethics“, der sieben Werte vereint.

Rundfunk Berlin Brandenburg, 10.2.2013, 10:00 min.

AUSZUG

 

Stimmengewirr, Gitarrengeklimper, Klavierakkord

Samstagabend in Berlin-Kreuzberg. Während noch die Instrumente gestimmt werden, versammeln sich im Gemeinderaum der evangelischen Thomaskirche junge Frauen und Männer zwischen 18 und 25 Jahren, um eine Friedensandacht zu halten. Einige Frauen tragen Kopftuch. Neben Deutsch wird auch Türkisch, Englisch, Arabisch gesprochen – und trotz des ernsten Anliegens viel gelacht.

Symbol der Gruppe Juga (Jung, gläubig, aktiv) Copyright: Juga
Halbmond, Kreuz und Davidstern vereint –
Symbol der Gruppe Juga (Jung, gläubig, aktiv) Copyright: Juga

Sie treffen sich nach den letzten militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und Palästina. Es sind Raketen abgeschossen worden und Menschen gestorben. Der seit Jahrzehnten schwelende Nahost-Konflikt führt immer wieder zu Hass zwischen Juden und Muslimen. Dagegen wollen die Berliner Jugendlichen ein anderes Zeichen setzen. Sie befestigen eine große Friedenstaube aus Papier an der Wand. Auf einen Flügel der Taube ist die israelische und auf den anderen die palästinensische Fahne gemalt. Die Botschaft: Die Friedenstaube kann nur mit beiden Flügeln fliegen. Zu Beginn der Andacht entzündet ein junger Mann vier Kerzen. Sie stehen für die vier Religionen, die hier im Raum versammelt sind.

Lisa Rodova: „Ich bin Bahai.“
Betül Ulusoy: „Muslima.“
Daniel Khanukov: „Jüdisch.“
Anna Anderson: „Jüdisch.“
Kevin Jessa: „Christlich-evangelisch.“

Die Bahai sind eine Glaubensgemeinschaft, die für sich sowohl die heiligen Schriften des Christentums, des Judentums als auch des Islams anerkennen. Sie gehen davon aus, dass alle Menschen den gleichen Gott haben. Lisa, Bahai, und Daniel, jüdisch, haben die Friedensandacht mitorganisiert. Sie erklären ihre persönlichen Beweggründe für das Treffen:

Daniel Sergei Khanukov: „Also als diese Nachrichten vor ein paar Wochen eingetroffen sind, ich saß zu Hause, hab das alles mitverfolgt (…) sieht man, da fallen Bomben ein in Gaza, dann kommen zigtausende Bomben nach Israel rein. Also ich war geschockt. Und ich hab sofort meine Oma angerufen, sofort alle möglichen Leute in Israel, auch in Palästina angeschrieben: Wie geht’s Euch? Es war wirklich eine Woche, wo ich die ganze Zeit gezittert habe. Es stärkt mich, besonders mit Muslimen, das zu machen und mit Christen und Bahais, das gibt mir Hoffnung!“

Lisa Rodova: Ich bin Bahai. Ich bin von diesem Konflikt nicht direkt betroffen, aber trotzdem find ich, es ist sehr sehr wichtig, auf diese Dinge sofort zu reagieren und sofort diesen Frieden zu stiften, den wir eigentlich so dringend brauchen heute in der Welt. Und das sehe ich auch als eine Pflicht von meinem Glauben aus. Und ich denke auch, dass diese Waffenruhe momentan auf Zeit ist und nicht das endgültige Ergebnis ist, weil es da noch sehr, sehr viel gibt, was geklärt werden muss.“

Draußen zieht das junge Partyvolk in die angesagten Kreuzberger Bars und Clubs. In der Thomaskirche feiern 40 junge Menschen verschiedener Religionen eine Friedensandacht. Ihre Ernsthaftigkeit ist beeindruckend. Sie wollen an diesem Samstagabend den alten Worten der Propheten über Friedfertigkeit und Vergebung lauschen. Acht Jugendliche rezitieren in verschiedenen Sprachen aus der Bibel und dem Koran. Aus der Gruppe von Menschen unterschiedlichen Glaubens wird dabei unversehens eine Gemeinde.

Junger Mann Rezitationsgesang Sure aus Koran: Al’la ’hum’ma ya sub’bu’hun … dann auf Deutsch: Und unser Gott und Euer Gott ist einer und ihm sind wir ergeben. Jedem von Euch gaben wir ein Gesetz und einen Weg. Und wenn Allah gewollt hätte, dann hätte er Euch zu einer einzigen Gemeinde gemacht.

Der Abend klingt bei Tee und Süßigkeiten aus. Alle sind sich darin einig, dass bei diesen interreligiösen Treffen kein Alkohol getrunken wird. In heiterer Stimmung werden mit den Handys Erinnerungsfotos auf Facebook gepostet.

Lisa Rodova: „Ich hoffe, dass die Andacht, die wir heute hatten, die eigentlich darstellt, wie wir bei JUGA so sehr schön zusammenarbeiten, dass ich mir wünschen würde, dass es in der Welt so ablaufen würde, und dass die Menschen durch unsere Arbeit, unser Beispiel auch inspiriert werden auch auf diese Art und Weise miteinander umzugehen und zu arbeiten, zusammenzuhalten.“ / Betül Ulusoy: „Und ich würd das gern unterstreichen!“ / Anna Anderson: „Ich auch!“ (Lachen)

Unterstützt werden sie in ihrer Arbeit von professionellen Moderatoren aus den vier Konfessionen. Für die Evangelische Kirche macht das Jugendpfarrerin Silke Radosh-Hinder:

„Die haben eine Art, respektvoll miteinander umzugehen, was heißt: Ich nehme wahr, wie du lebst, auch wenn ich es nicht verstehe, achte ich das, was du tust – und dann können wir gucken, wo wir vielleicht Konflikte haben. Aber das ist meine Haltung, mit der ich dir gegenübertrete. Und das macht diese Ernsthaftigkeit im Umgang miteinander aus. (8:01) Es sind gar nicht die großen Brücken, die man schlagen muss. Oft sind es ganz kleine Wege, die man zueinander machen muss, und dann stellt man fest, aus was für einem Reichtum wir kommen.“

Respekt ist ein wichtiges Wort für die JUGAs – genauso wie Verantwortung, Vergeben, Offenheit, Gerechtigkeit, Einfühlungsvermögen und Wissen. Sie haben diese sieben Werte zu ihrem „Code of Ethics“ erklärt, zu ihrem Verhaltenscodex. Er soll für den Umgang in der Gruppe gelten, aber auch für das Miteinander in der multikulturellen Stadt Berlin. Mit einem zehn Meter langen Panoramabild, auf dem alle JUGAs abgebildet waren, stellten sie sich vor das Brandenburger Tor. Der aufgedruckte Slogan „Eins durch 7 – ich zähle mit“ sollte die Passanten einladen, sich dem Wertecodex anzuschließen. Er wird nun auch an Berliner Schulen und in Jugendeinrichtungen vorgestellt und diskutiert. Zusammen mit dem Sänger Robert Lee Fardoe haben die JUGAS einen Song geschrieben. Der Titel „Sweet Co Co“ steht für Sweet Co-Existence – ein friedliches Zusammenleben. Auf Youtube gibt es dazu ein Musikvideo, in dem alle JUGAs mitsingen:

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