Kirche für Konfessionslose

Pfarrerin Jasmin El-Manhy wurde in der Gethsemane-Kirche in Berlin-Prenzlauer Berg geliebt und geschätzt. Nun baut die Tochter eines muslimischen Ägypters und einer katholischen Deutschen in Neukölln ein evangelisches Kirchen-Startup auf. Sie sagt, es sei für sie, wie nach Hause zu kommen.

Die Kirche, Evangelische Wochenzeitung für Berlin, Brandenburg, 21.3.2021

AUSZUG

„Und sie lachte in sich hinein“, so lautete das Motto der Predigt von Jasmin El-Manhy, als sie sich im Januar als Pfarrerin aus der Gethsemane-Kirche in Prenzlauer Berg verabschiedete. Man kann sich den digitalen Gottesdienst auf Youtube ansehen. Es wird getanzt und auch die eine oder andere Träne verdrückt. Die Gemeinde hat ihrer Pfarrerin nach sechs Jahren Amtszeit einen Abschied bereitet, der berührt, obwohl er ein Onlineformat ist.

Das Lachen der Sara, der im 1. Buch Mose im hohen Alter die Geburt eines Kindes vorhergesagt wird, bezieht Jasmin El-Manhy auf die neue Aufgabe. Am Anfang standen „Zweifel, Unsicherheit, Aufregung“ und als könne sie das Glück des Auftrags gar nicht fassen, beschreibt sie ihre Gefühle im Gottesdienst.

Wir treffen uns an ihrer neuen Arbeitsstelle in der Genezareth-Kirche in Neukölln. Im rechten Flügel empfängt mich Jasmin El-Manhy im zukünftigen „Segensbüro“ in einem sonnigen gelben Pullover. „Diese Stelle bricht aus gewohnten Gemeindestrukturen aus. Hier ist die Gestaltung von so viel Neuem möglich!“, freut sich die 40-Jährige. Sie koordiniert als Geschäftsführerin ein Team mit zukunftsweisenden Projekten – ein Kirchen-Startup.

Team „Startbahn“

Die Gruppe hat sich in Anlehnung an das nahegelegene Tempelhofer Feld den Namen „Startbahn“ gegeben. Mit dazu gehören unter anderen die Friedrichshainer Pfarrerin Lioba Diez und die Neuköllner Pfarrerin Anja Siebert-Bright mit ihrem Projekt „Spirit and Soul“, die spirituelle Formen für junge Erwachsene entwickeln, sowie die Pfarrerin und Influencerin Theresa Brückner, der auf Facebook und Instagram unter „Theresaliebt“ an die 20.000 Menschen folgen.

Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt. Es wird von der EKBO und Trägern wie dem Verein „Andere Zeiten“ finanziert. Ziel ist die Entwicklung von analogen und digitalen Formaten für Menschen, die nicht in die Kirche gehen, aber eine spirituelle Sehnsucht haben, sagt El-Manhy. „Das kann die Begleitung sein mit einer App, ein Austausch bei einem Zoom-Treffen oder die regelmäßige geistliche Übung“, erklärte sie gegenüber Deutschlandfunk Kultur.

„Kirche to go“?

Konkret soll man sich in Zukunft an das „Segensbüro“ wenden können, wenn man christlich heiraten oder sich nach dem Tod christlich beerdigen lassen möchte, einen Reisesegen braucht oder sein Haustier bestatten lassen möchte. Es gehe auch darum, geeignete Kolleginnen und Kollegen zu finden, die sich bei den Amtshandlungen auf neue Konstellationen einlassen können, erklärt die frischgebackene Geschäftsführerin in unserem Gespräch: „Also interkulturell, interreligiös, gleichgeschlechtlich, aber auch Patchwork.“

Ist das „Kirche to go“? Eine Empfehlung wie aus dem Katalog? Ein Wohlfühlangebot nach dem Motto: Man suche sich für die Hochzeit den schönsten Kirchsaal und die lustigste Pfarrerin und schnüre daraus ein stimmiges Gesamtpaket? Oder ist es genau die richtige Antwort in Zeiten steigender Austrittszahlen – und für eine multikulturelle Stadt wie Berlin?

„Man muss das auch ein bisschen mit Humor nehmen“, entgegnet El-Manhy gelassen und meint damit so etwas wie die Bezeichnung „Segensbüro“, dessen Konzept sie mit dem Pfarrer Tilman Reger entwickelt. Derzeit werde intensiv an einer Homepage gearbeitet. Man wolle hier mit verständlicher Sprache die Hemmschwelle nehmen, die Institution Kirche mit dem in Anspruch zu nehmen, was sie am besten kann: Begleiten bei wichtigen Übergängen im Leben. Andererseits „wollen wir auch deutlich machen, dass wir nichts verkaufen, sondern etwas verschenken und uns abgrenzen von kommerziellen Angeboten“, betont sie.

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Jasmin El-Manhy beim Abschiedsgottesdienst in der Gethsemane-Kirche mit ihren Kollegen Almut Bellmann und Tobias Kuske (Copyright: Youtube)
Jasmin El-Manhy beim Abschiedsgottesdienst in der Gethsemane-Kirche mit ihren Kollegen Almut Bellmann und Tobias Kuske (Copyright: Youtube)

Die tanzende Pfarrerin

Die neuen Ideen und Angebote werden auch die Gemeinden vor Ort stärken, ist Jasmin El-Mahny überzeugt. Man kann sich für den Veränderungsprozess kaum eine geeignetere Vermittlerin vorstellen. Für die Pfarrerin ist der private wie berufliche Umzug nach Neukölln eine Art nach Hause kommen. Sie hat in der Genezareth-Kirche nach ihrem Theologie-Studium ihre erste Predigt gehalten und vor dem hohen Dornbusch von HAP Grieshaber geheiratet. Die Tochter einer katholischen Deutschen und eines muslimischen Ägypters hat nach der Hochzeit ihren Familiennamen behalten. Sie ist mit beiden Religionen, Kulturen und Sprachen in Berlin aufgewachsen und ist froh, wieder hier zu wohnen: „Dass ich hier die arabische Sprache um mich habe, die Menschen, das Essen. Und dass ich mitbekomme, wann Ramadan ist. Ich habe das sehr vermisst.“

Umgekehrt wird sie in Prenzlauer Berg fehlen. Man sagt ihr nach, dass sie mit ihren Predigten die Menschen erreicht – und auch mal einen Rocksong zitiert. Im Abschiedsgottesdienstes gibt es ein Tanzvideo, das gute Laune verbreitet. Dort tanzen die Gemeindeglieder und die Pfarrerin – zuerst im Talar und danach mit einer roten Pudelmütze und einem Pullover mit der Aufschrift „Choose Love“ (Wähle die Liebe) vor der Genezareth-Kirche. Da wirkt sie wie ein Twen aus der Nachbarschaft. Und man traut ihr zu, dass sie das Ding rocken wird.

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