Eine Vorliebe für Wörterbücher: Die Dichterin Ann Cotten

Die Feuilletons feierten die 25-jährige Dichterin Ann Cotten mit ihrem Lyrik-Debüt „Fremdwörterbuchsonette“ als „Wunderkind“ und als „Shootingstar des jungen deutschsprachigen Lyrik-Jetsets“ (FR), „das neue Gesicht der deutschen Lyrik“ (Zeit) sowie als „Hoffnungsträgerin der Berliner Dichterszene“ (FAZ).

Deutschlandradio Kultur, 9.7.2008, 5:00 min.

AUSZUG

Die 1982 in Iowa geborene und in Wien aufgewachsene Ann Cotten lebt seit 2006 in Berlin.

Ann Cotten liest aus dem Gedicht „Loxodrome“:

Unerreichbar weilt die Loxodrome
nah am Partner, dem Meridian.
Überspannt entbehrlich die Atome
wo sie, begehrlich, dünner werden kann.
Und unbeleckt vom Wirken der Symptome / schielt hin mit einem Auge der Meridian

(Quelle: „Fremdwörterbuchsonette“, Suhrkamp Verlag, 2007)

Ann Cotten: „Ich glaub, ich schlug mal etwas mit Loxodrom nach, dann gefiel mir der Eintrag so gut, dass ich auf die Idee kam, das könnte man ja eins zu eins zu einem Gedicht machen. Und freie Verszeilen mag ich nicht, ich mag überhaupt Gedichte nicht so gern, aber Sonette sind okay find ich, deswegen hab ich ein Sonett draus gemacht.“

Ann Cotten: „Und dann wollte ich versuchen, dieses Modell weiter auszuprobieren, dann habe ich andere Wörter gefunden, die mir gut gefielen, die ich koppeln wollte. Und es hat sich so nach und nach herausgebildet, dass es gut funktioniert, wenn man einen Begriff koppelt mit einer Situation und Wortspielen und Bildern.“

Ann Cotten nennt die alte Form des Sonetts aus zwei Vier- und zwei Dreizeilern eine „schöne Maschine“ und vergleicht ihre Spracharbeit mit der eines Mechanikers. Dabei bedient sie sich im Ersatzteillager der Dichtung bei Patti Smith, Hölderlin, Hitchcock oder Eichendorff und biegt das Material für ihre Zwecke zurecht – zum Beispiel um die Unmöglichkeiten der Liebe zu beschreiben.

Ann Cotten liest „Ellen Blick“

Die Liebe ist voll inkommensurabel,
die Liebe im Gewand kommensurabel,
wo nicht erwidert: inkommensurabel,
wo in Sonetten hergereimt: Parabel.

Sie selbst verweigert das klassisch-feminine Äußere einer Dichterin. Ihre Frisur ist asymetrisch: auf der linken Seite kurz bis übers Ohr, auf der rechten Seite kinnlang und am Stirnansatz ausrasiert. Ihr blasses Gesicht hat etwas mädchenhaft Schmales, Zerbrechliches – ihr Auftritt in Anzug oder Jeans und Pullover dagegen etwas Jungenhaft-burschikoses. Zurückhaltend und doch selbstbewusst betritt sie auf ihren Lesungen die Bühne.

Christiane Lange von der Literaturwerkstatt Berlin: Sie ist eine ganz starke Stimme. Sie ist natürlich, wie alle Dichter, ungeheuer formbewusst, das ist völlig klar. Aber sie hat auch etwas so’was Anarchisches, sowas Anarchisches drunter und sie ist auch sehr gute Leserin, Sprecherin, Performerin ihrer eigenen Texte.“

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