Deutschlandfunk Kultur, 9. November 2020
Erstens: Es ist und bleibt ein Wunder, dass die Mauer zwischen Ost- und Westberlin so friedlich fiel. Mit Sektkorkenknallen und Freudentänzen statt Gewalt und Blutvergießen.
Zweitens: Weil damals für Millionen von DDR-Bürgerinnen und -Bürgern das Tor zur Welt aufging. Ich war Studentin in Ost-Berlin und konnte nicht nur nach Amsterdam, Paris und Rom reisen, sondern das erste Mal überhaupt in den Westteil der Stadt, der mir wie eine bunte Filmkulisse erschien.
Drittens: Weil es einer der großen positiven Wendepunkte der deutschen Geschichte ist. Am 9. November 1848 scheiterte die Märzrevolution, 1938 brannten Synagogen und jüdische Geschäfte. Der 9. November 1989 dagegen war ein Festtag, an dem sich die ganze Welt mit uns freute.
Viertens: Weil es zeigt, dass Diktaturen von einem auf den anderen Tag verschwinden können. Im Januar 1989 hatte DDR-Staatschef Erich Honecker beschworen, dass die Mauer noch 100 Jahre stehen würde. Zehn Monate später rückten ihr die Mauerspechte mit ihren Hämmerchen zu leibe.
Und fünftens: Weil das Wunder des Mauerfalls heute Vielen so selbstverständlich erscheint, dass wir uns das große Glück des 9. November 1989 immer wieder vor Augen führen sollten – und den Nachgeborenen davon erzählen. Weil es eben alles andere als selbstverständlich ist.